Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Kreisverband Rems-Murr

Ein Leben ohne Auto – wie geht das? Daniel Baier aus Winnenden berichtet

Schon lange wird das Fahrradfahren positiv bewertet. Gesund ist es, umweltfreundlich, und es erhöht die Lebensqualität in den Städten.

Von Matthias Jung

Schon lange wird das Fahrradfahren positiv bewertet. Gesund ist es, umweltfreundlich, und es erhöht die Lebensqualität in den Städten.

Doch geht man durch die Straßen einer beliebigen Stadt, dann ist es immer noch das gleiche Bild: Alles ist zugeparkt, Stop-and-go-Verkehr, Abgase. Der Umstieg aufs Fahrrad scheint ein ewiger Konjunktiv zu sein. Daniel Baier, Vorsitzender der Grünen in Winnenden, gehört zu denen, die ihn vollständig gewagt haben.

Mit den aktuell gigantisch hohen Spritpreisen hat das aber nichts zu tun. Der Informatiker mit Außendiensteinsätzen hat bereits seit Herbst 2019 kein Auto mehr und ist damit rundum glücklich. Als er wieder mal im Stau festsaß, fällte er die Entscheidung, verkaufte umgehend sein Auto und radelt seitdem. Vor der radikalen Entscheidung versuchte er, das Auto immer wieder stehen zu lassen. Doch wenn es regnetet oder die Laune gerade nicht so gut war, saß er doch drin. „Ich bin eben sehr gerne Auto gefahren“, sagt Daniel Baier.

Als Berater in der Industrie hat er deutschlandweit Termine. Vom nächst gelegenen Bahnhof können es durchaus 30 Kilometer zum Kunden sein. Nur ein Weg. Und wenn es regnet, dann ist das eben so. „Seitdem ich Rad fahre, bin ich nicht mehr krank“, sagt er.

Mit dem Fahrrad geht es nicht mehr so flexibel – das muss kein Nachteil sein

Bei seinen Kunden kommt die ungewöhnliche Anreise gut an. „Da ist viel mehr Bewusstseinswandel in der Industrie, als allgemein angenommen, ich beobachte eine hohe Wertschätzung für umweltbewusste Mobilitätsformen“, sagt er. Klar, mit dem Fahrrad geht es tatsächlich nicht mehr so flexibel und schnell wie mit dem Auto. „Die grenzenlose Mobilität hatte mich unter einen großen Druck gestellt. Heute Norddeutschland - morgen Bayern. Mein ganzer Lebensrhythmus hatte sich durch das Auto beschleunigt“, sagt der Winnender.

Der eine oder andere Termin fällt jetzt weg - dafür gibt es ein Mehr an Lebensqualität. Keinen Tag hat er sein Auto vermisst, seinen Entschluss nie bereut.

Auch nach Stuttgart fährt Daniel Baier mit dem Rad – fast so schnell wie die S-Bahn

Emissionsfrei, entschleunigt und gesund radelt Baier seitdem durch das Land. In der öffentlichen Wahrnehmung ist das Fahrrad vor allem ein Mittel der Freizeitgestaltung. Daniel Baier benutzt es fast ausschließlich als Fortbewegungsmittel. Auch nach Stuttgart nimmt er das Rad und ist dabei fast so schnell wie mit der S-Bahn. Wer so viel Fahrrad fährt, betreibt dabei jede Menge Sport. So gesehen spart diese Art der Fortbewegung Zeit, sie ersetzt ein Sportprogramm.

In Deutschland ist Bewegungsmangel ein weit verbreitetes Krankheitsrisiko. „40 Prozent aller Fahrten mit dem Auto sind unter fünf Kilometer, die können also, wenn man nicht körperlich beeinträchtigt ist, mühelos und ohne Zeiteinbuße mit dem Fahrrad zurückgelegt werden“, sagt er. Für den Einkauf gibt es Fahrradtaschen oder Anhänger.

Daniel Baier setzt sich vor Ort für eine bessere Radinfrastruktur ein. Er ist Mitglied beim ADFC und hat in Winnenden den „Runden Tisch Rad“ initiiert, der allen Bürgern als Forum für Belange des Radverkehrs offen steht. 30 Teilnehmer waren dabei. „Radfahren muss Freude machen“, sagt Baier „Nur dann wird es auch von vielen angenommen."

Manche Straßen in Winnenden sind zu eng für Rad- und Autoverkehr

Dazu gehören ein ausgebautes Radwegenetz und das Gefühl von Sicherheit. „Manche Straßen, wie die Bachstraße in Winnenden, sind so eng, dass Radfahrer von Autos nicht überholt werden können, das widerspricht der Verkehrsordnung“, sagt er. Wer auf das Rad umsteigen möchte, werde oft durch knappe Überholmanöver entmutigt. Positiv sieht er, dass die Stadt Winnenden ein Radkonzept erstellt hat. Dazu gehört die Planung einer Radtangente Ost zwischen Wiesenstraße und Paulinenstraße. Das Rad als gleichberechtigtes Verkehrsmittel ernst zu nehmen bedeute aber auch, Parkplätze für Fahrradwege zu reduzieren.

„Es fällt mir erstaunlich leicht, auf das Auto zu verzichten“ sagt Daniel Baier. „Aber ich bin auch in einer privilegierten Situation. Für Familien und in vielen beruflichen Situationen ist es nicht so einfach, ganz auf das Rad umzusteigen.“ Baiers Begeisterung für das Radfahren ist jedenfalls ansteckend. „Ich könnte schwärmen“, sagt er und tut es doch schon die ganze Zeit. Selbst schlechtes Wetter ist für ihn kein Minuspunkt. „Es tut gut“, sagt er, „den Regen und die Sonne am eigenen Leib zu spüren.“

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