Irre Überholmanöver: Ist das die gefährlichste Fahrrad-Stelle in Waiblingen?

19.02.2024 Von Simeon Kramer/ZVW

Fahrradfahrer leben gefährlich - vor allem in der Devizesstraße in Waiblingen.

19.02.2024

Fahrradfahrer leben gefährlich - vor allem in der Devizesstraße in Waiblingen. Die Hauptverkehrsstraße, auf der Tempo 50 erlaubt ist, gilt als eine der gefährlichsten Fahrrad-Strecken in Waiblingen. Warum ist die Devizesstraße für Radfahrer so gefährlich? Was tut die Stadt Waiblingen, um Fahrradfahrer zu schützen? Und wieso will das Polizeipräsidium Aalen an dieser Stelle bald verstärkt Kontrollen durchführen? Wir klären auf.

Warum ist die Devizesstraße in Waiblingen für Fahrradfahrer so gefährlich? 

Sind Sie schon einmal so knapp von einem Auto überholt worden, dass Sie fast gestürzt wären? Falls Nein: Glück gehabt. Für viele Fahrradfahrer ist das aber leider bitterer Alltag. So auch in Waiblingen, genauer gesagt in der Devizesstraße. Dort setzen Autofahrer zu teils waghalsigen Überhol-Manövern an – der Autor dieser Zeilen weiß, wovon er schreibt (siehe Bild).

Von der Post oder der Bahnunterführung kommend führt die Devizesstraße über einen Kreisverkehr zum Bahnhof. Vor dem „Städtepartner-Kreisel“ werden die Radfahrer per Markierung von der Straße abgeführt. Der Kreisverkehr kann also auf dem Gehweg umfahren werden - so weit so gut. Doch direkt nach dem Kreisverkehr werden die Radfahrer dann wieder auf die Devizesstraße geleitet. 

Fahrbahn verengt sich: Radfahrer werden waghalsig überholt

Hier entstehen gleich zwei Probleme. Erstens beschleunigen etliche Autofahrer in Fahrtrichtung Bahnhof sofort auf 50, was das Einfädeln in den Verkehr enorm erschwert. Zudem kreuzt rechterhand die Heinrich-Küderli-Straße. Zweitens folgt dann die eigentliche Gefahr für Radfahrer: die Bushaltestelle. Eigentlich ist die Devizesstraße breit genug, dass Auto- und Fahrradfahrer diese nebeneinander befahren können. Zudem sind auf der Straße Rad-Schutzstreifen angebracht.

Aber: Die Bushaltestelle wurde jüngst durch eine bauliche Maßnahme verändert - zum Nachteil der Radfahrer. Durch zwei neu errichtete und sich gegenüberliegende Hochbords wurde die Fahrbahn so verengt, dass gerade einmal noch zwei Busse aneinander vorbeifahren können. Außerdem fallen kurz vor der Haltestelle die Schutzstreifen weg. Salopp gesagt: Die Schutzzone für Radfahrer endet mitten auf der Straße - perfekt.

Somit ergibt sich für Fahrradfahrer eine gefährliche Situation. Oft werden diese auf Höhe der Bushaltestelle von einem Auto überholt, obwohl Gegenverkehr kommt. Dabei wird nicht nur der Mindestabstand von 1,50 Metern völlig missachtet - es wird auch eine doppelt (!) durchgezogene Linie in der Fahrbahnmitte überfahren. Diese wurde von der Stadt angebracht, um Radfahrer vor Überholmanövern zu schützen. Doch manch einem Autofahrer sind die Verkehrsregeln und die gegenseitige Rücksichtnahme im Straßenverkehr wohl völlig egal.

Stadt Waiblingen plant Baumaßnahme: Entschärft das die Gefahr?

Auch dem ADFC Rems-Murr ist die Situation in der Devizesstraße bekannt. Der Deutsche Fahrrad-Club protokolliert in regelmäßigen Abständen, wie knapp Radfahrer von Autos überholt werden (zum ADFC-Portal). Die kaum überraschende Nachricht: Nach dem Kreisverkehr wurden Überholmanöver mit gerade einmal 85 Zentimetern Abstand gemessen. Dass einige Fahrradfahrer die Devizesstraße daher verbotenerweise auf dem Gehweg befahren, ist kaum verwunderlich.

Auf Nachfrage bei der Stadt Waiblingen kommt zu der Rad-Situation folgende Antwort: „Bisher gab es keine Unfälle an der Stelle. Unfälle auf gerader Strecke sind im Radverkehr generell selten.“ Außerdem sei die Unterbrechung der Schutzstreifen an der Bushaltestelle „gängige Praxis“ und entspreche „den Vorgaben der technischen Regelwerke“. Als Radfahrer stellt man sich da zwangsläufig die Frage: Muss denn immer erst ein Unfall passieren, bevor gehandelt wird?

„Wir befinden uns zurzeit in einem Abstimmungsprozess, um durch eine bauliche Maßnahme die Geschwindigkeit vor der Bushaltestelle zu reduzieren“, heißt es aus dem Rathaus. Es werde „eine zweite Querungshilfe für den Fußverkehr zwischen dem Partnerschaftskreisel und der Bushaltestelle“ geplant. Diese bauliche Maßnahme soll das starke Beschleunigen und das gefährliche Überholen von Radfahrern verhindern. Gut gemeint, aber: Radfahrer, die vom Bahnhof in Richtung Kreisverkehr unterwegs sind, profitieren von der neuen Querungshilfe nicht - für diese Fahrtrichtung besteht die Gefahr weiterhin.

Die Polizei erfährt erst durch unsere Redaktion von der Gefahr

Doch es gibt gute Nachrichten: Auch dem Polizeipräsidium Aalen ist die Gefahrenstelle inzwischen bekannt. Allerdings erst, nachdem es von unserer Redaktion auf die Stelle aufmerksam gemacht wurde. Es gebe regelmäßig Radverkehr-Besprechungen mit der Stadt Waiblingen, so die Polizei. Doch bislang wurde „die Devizesstraße nicht als Problemstelle“ vonseiten der Stadtverwaltung thematisiert. Das Polizeipräsidium will nun an der Stelle verstärkt kontrollieren und „die Devizesstraße hinsichtlich der Beobachtungen in unsere Kontrollplanungen mit einbeziehen.“

Trotz neuer Querungshilfe und verstärkter Polizei-Kontrollen: das Problem wird bleiben. Könnte Tempo 30 die Situation entschärfen? Schwierig. Erstens unterliegt die Anordnung von Tempo 30 rechtlich komplexen Anforderungen, zweitens wird eine Reduzierung der Geschwindigkeit Autofahrer kaum am Überholen hindern. Fakt ist: Die Stadt Waiblingen kann als Verkehrsbehörde im Stadtgebiet selbst entscheiden, ob und wo Tempo 30 angeordnet wird. Damit liegt der Ball bei der Verwaltung.

Doch die hat schon mal vorsorglich verlauten lassen: „Die bauliche Maßnahme und deren Auswirkungen werden abgewartet. Eine Tempo-30-Regelung ist in naher Zukunft nicht vorgesehen.“ Was bleibt, ist die Hoffnung, dass die Querungshilfe die Situation entspannt - und es auch künftig zu keinem schweren Fahrrad-Unfall kommt.

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  • Was muss ich beachten, um mein Fahrrad verkehrssicher zu machen?

    Wie ein Fahrrad verkehrstauglich auszustatten ist, legt die Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO) fest. Vorgesehen sind darin zwei voneinander unabhängige Bremsen, die einen sicheren Halt ermöglichen. Für Aufmerksamkeit sorgen Radler*innen mit einer helltönenden Klingel, während zwei rutschfeste und festverschraubte Pedale nicht nur für den richtigen Antrieb sorgen. Je zwei nach vorn und hinten wirkende, gelbe Rückstrahler an den Pedalen stellen nämlich darüber hinaus sicher, dass Sie auch bei eintretender Dämmerung gut gesehen werden können. Ein rotes Rücklicht erhöht zusätzlich die Sichtbarkeit nach hinten und ein weißer Frontscheinwerfer trägt dazu bei, dass Radfahrende die vor sich liegende Strecke gut erkennen. Reflektoren oder wahlweise Reflektorstreifen an den Speichen sind ebenfalls vorgeschrieben. Hinzu kommen ein weißer Reflektor vorne und ein roter Großrückstrahler hinten, die laut StVZO zwingend vorgeschrieben sind.

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    Menschen, die Rad fahren oder zu Fuß gehen, gehören zu den ungeschützten Verkehrsteilnehmern. Sie haben keine Knautschzone – deshalb ist es umso wichtiger, sich umsichtig im Straßenverkehr zu verhalten. Dazu gehört es, selbstbewusst als Radfahrender im Straßenverkehr aufzutreten, aber gleichzeitig defensiv zu agieren, stets vorausschauend zu fahren und mit Fehlern von anderen Verkehrsteilnehmern zu rechnen.Passen Sie Ihre Fahrweise der entsprechenden Situation an und verhalten Sie sich vorhersehbar, in dem Sie beispielsweise Ihr Abbiegen durch Handzeichen ankündigen. Halten Sie Abstand von Lkw, Lieferwagen und Kommunalfahrzeugen. Aus bestimmten Winkeln können Fahrer nicht erkennen, ob sich seitlich neben dem Lkw Radfahrende befinden. Das kann bei Abbiegemanövern zu schrecklichen Unfällen führen. Beachten Sie immer die für alle Verkehrsteilnehmer gültigen Regeln – und seien Sie nicht als Geisterfahrer auf Straßen und Radwegen unterwegs.

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