Jan Kamensky

Waiblingen: Wie sich mit Ideen des Hamburger Utopisten Jan Kamensky die Stadt Waiblingen an den Klimawandel anpassen kann - am Beispiel der Fronackerstraße

Waiblingen klimaneutral: Utopie der autofreien Fronackerstraße von Jan Kamensky

„Straßen werden für Menschen geöffnet“: Jan Kamensky aus Hamburg will mit seinen Animationen in Bild und Ton zeigen, wie ein Ort in einer Stadt ohne Autos im wahrsten Sinne des Wortes aufblühen kann.

Von Bernd Klopfer

Veröffentlicht: 22.04.2023 13:58

„Straßen werden für Menschen geöffnet“: Jan Kamensky aus Hamburg will mit seinen Animationen in Bild und Ton zeigen, wie ein Ort in einer Stadt ohne Autos im wahrsten Sinne des Wortes aufblühen kann. Gerade arbeitet der 36-jährige Künstler an einer Utopie für die Fronackerstraße in Waiblingen. Die Stadt hat hier zwar kleine Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung umgesetzt – doch gerade am Abschnitt bei der Querspange ist der Geräuschpegel an einem normalen Werktag weiter hoch. Die Bürgerinitiative „Waiblingen klimaneutral“, welche Jan Kamensky beauftragt hat, hofft auf eine alternative Zukunft für die Fronackerstraße.

 

Pflanzkübel statt Parkplätze

Es ist Freitagvormittag, 21. April 2023, kurz nach 10 Uhr. Autos fahren am Alten Postplatz von allen Seiten in die Fronackerstraße, hie und da wird gehupt. Iris Förster, Stadträtin der Fraktion Grünt/Tierschutzpartei, steht mit ihrem Malteser-Hund vor dem Gelände an der Ecke Fronackerstraße/Stadtgraben, wo sich einst die Avia-Tankstelle von „Helmut und Helmut“ befand. Sie weiß, dass die Stadtverwaltung schon ein paar Dinge getan hat, um die Fronackerstraße zu beruhigen. Auf zwei Parkplätzen am Straßenrand stehen nun ganz in der Nähe etwa drei Pflanzkübel. Damit, sagt Iris Förster, gibt es keine Autos mehr, die an dieser Stelle rückwärts einparken – was wiederum das Risiko reduziert, dass es zu Unfällen mit Radfahrern kommen kann. Iris Förster weiß auch, dass bei der informellen Bürgerbeteiligung herauskam, dass es in der Fronackerstraße ganz unterschiedliche Interessen gibt – je nachdem, ob die Betroffenen dort wohnen, ein Geschäft haben oder Kunden sind.

Utopien für den Rosenbergplatz in Stuttgart-West oder Berlin-Kreuzberg

Jan Kamensky ist weder Stadtplaner noch Architekt. Was er für die Fronackerstraße vorhat, ist keine konkrete Planung, kein Entwurf. „Das kann man als Kunstprojekt verstehen“, sagt der 36-Jährige. Er wolle lediglich einen Impuls geben. Wie der aussehen kann, zeigt er mit Postkarten, die er in seinem Rucksack dabei hat. Auf einer ist die Skalitzer Straße in Berlin-Kreuzberg zweimal zu sehen – einmal auf einem Foto von 2022 und einmal in Form einer Zukunftsvision. Da fliegen dann Autos durch die Luft, unten am Boden sind Radler und Fußgänger neben Wiesen und Bäumen zu sehen, die einst graue Bahn-Brücke ist komplett begrünt. Eine weitere Postkarte zeigt die „Rua da Madalena“ in Lissabon, einmal mit Autos und einmal als Platz mit Brunnen, wo Menschen flanieren. Auch für den Rosenbergplatz in Stuttgart-West hat Jan Kamensky eine Vision entwickelt. In Stuttgart, erzählt der in Hamburg aufgewachsene und immer noch wohnende Künstler nebenbei, habe er auch familiäre Wurzeln.

Infoveranstaltung im Kulturhaus Schwanen mit Jan Kamensky

Am Donnerstagabend, 20. April 2023, hat Jan Kamensky seine Arbeit im Waiblinger Kulturhaus Schwanen vorgestellt. Veranstalter war „Waiblingen klimaneutral“, unterstützt wurde das Ganze von „Demokratie leben“, dem ADFC Rems-Murr, der Gemeinderatsfraktion Grünt/Tierschutzpartei, Bündnis 90/Die Grünen Waiblingen-Korb und der BUND-Ortsgruppe Waiblingen-Korb. Rund 70 Leute waren laut Iris Förster da, Jan Kamensky hat seine Animationen in Kinoleinwand-Größe gezeigt. Finanziert wird die Arbeit des Hamburgers in Waiblingen aus Spendenmitteln, dabei freut sich das Klimabündnis über jede weitere Unterstützung.

Dem Künstler selbst ist natürlich bewusst, dass die Vision einer autofreien Straße bei vielen erst mal Ängste hervorruft – etwa bei Geschäftsleuten, die Sorgen um ihre Kundschaft haben. „Es ist ganz wichtig, diesen Menschen zuzuhören“, sagt der 36-Jährige. Er sieht die Aufgabe darin, die Leute zu überzeugen, dass sie eine bessere Zukunft bekommen können. Als Beispiel fällt ihm die Stadt Gent in Belgien ein. Deren historische Innenstadt ist heute frei von Autos, Radwege wurden breiter, Fußgängerzonen größer. Und die Parkhäuser befinden sich am Rand der Innenstadt. Was heute Gent aktiv bewirbt, stieß erst mal auf viel Protest. „Da gab es großen Gegenwind“, sagt Jan Kamensky.

Fronackerstraße soll grüner werden

Wenn der 36-Jährige sich in Waiblingen die Fronackerstraße ansieht, entdeckt er viel Potenzial, was besser werden könnte. Mehr Grün, betont er, bedeute mehr Biodiversität. „Hier ist recht viel versiegelt.“ Dadurch heize sich auch alles im Sommer mehr auf.

Jan Kamensky macht seine Fotos in der Fronackerstraße an diesem Freitag mit seinem iPhone. Er hat extra ein Zeitfenster gewählt, in dem es dort möglichst wenig Schatten gibt. Herauskommen soll am Ende ein etwa 30 Sekunden langes Video, das zeigt, wie sich die Straße verändern könnte. Veröffentlichen will er es auf seinen Kanälen in verschiedenen sozialen Netzwerken wie etwa Twitter. Fürs Fertigstellen braucht er in der Regel eine Woche. Ob das Video aber schon im Mai veröffentlicht werden kann, weiß er noch nicht.

Jan Kamensky verzichtet selbst auf Flugreisen

Der Hamburger, der laut eigenem Bekunden mittlerweile auf Flugreisen verzichtet, macht seine Animationen nicht nur für die Menschen vor Ort. Auch ein Video für Waiblingen sieht er letztlich als Anregung für Menschen in der ganzen Welt. „Es ist stellvertretend für viele andere.“

Verwandte Themen

Demo auf Postplatz

Fahrrad-Demo Kidical Mass: Sicherheit für Kinder, gegen Dominanz der Autos

Nach Herzenslust und unter Polizeischutz auf dem alten Postplatz beim Landratsamt radeln, wo sonst Autos und Busse…

Lastenrad

Lastenräder-Verleih in Waiblingen: Wann geht es nun los?

In allen Waiblinger Ortschaften gibt es künftig wie bereits in der Kernstadt ein elektrisch angetriebenes Lastenfahrrad…

160 Teilnehmer beim Radsonntag in Winnenden

03.07.2022

Knapp 30 Grad Celsius hat das Thermometer am Sonntag gegen 10.45 Uhr gezeigt, als sich 160 Fahrradfahrer auf…

Sicher E-biken: Kostenlose Fahrsicherheitskurse im Rems-Murr-Kreis

Der Trend zum E-Bike ist ungebrochen, immer mehr Menschen setzen auf das elektrische Zweirad

ADFC kauft Lastenrad mit Zuschüssen der Stadt Winnenden und der Energieagentur

Die 90 aktiven Mitglieder des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) Kreisverband Rems-Murr können künftig das…

Fahrsicherheitstraining Pedelec

Unfälle Rems-Murr: Leben Radler immer gefährlicher? Sind die Autofahrer schuld?

Das Rad – nebst Pedelec und E-Bike – ist als Verkehrsmittel schwungvoll auf dem Vormarsch. Aber wie sicher sind Radler…

ADFCSukowksi

Wie wird das Fahrrad fit für den Sommer? Sieben Tipps vom Experten aus Winnenden

Noch traut sich die Sonne nicht so recht für längere Zeit am Stück hinter den Wolken hervor. Trotzdem lassen es die…

Protected Bike Lanes (kurz: PBL, deutsch: Geschützte Radfahrstreifen) sind ein vom ADFC aus Nordamerika importiertes Konzept.

Rems-Murr-Kreis zählt Radfahrer: Wozu soll das gut sein?

Eins, zwei, drei, viele: Mehr Menschen schwingen sich aufs Fahrrad, nicht nur am Wochenende. Dieser Eindruck stimmt…

Wie fährt man sicher mit dem E-Bike?

19.08.2022

Im Rems-Murr-Kreis laden Experten zu Trainings ein und geben Tipps zum souveränen Trip mit dem…

https://rems-murr.adfc.de/artikel/waiblingen-klimaneutral-utopie-der-autofreien-fronackerstrasse-von-jan-kamensky

Häufige Fragen von Alltagsfahrer*innen

  • Was macht der ADFC?

    Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club e.V. (ADFC) ist mit bundesweit mehr als 190.000 Mitgliedern, die größte Interessenvertretung der Radfahrerinnen und Radfahrer in Deutschland und weltweit. Politisch engagiert sich der ADFC auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene für die konsequente Förderung des Radverkehrs. Er berät in allen Fragen rund ums Fahrrad: Recht, Technik, Tourismus.

    weiterlesen

  • Was bringt mir eine ADFC-Mitgliedschaft?

    Radfahren muss sicherer und komfortabler werden. Wir nehmen dafür – auch Dank Ihrer Mitgliedschaft – nicht nur Einfluß auf Bundestagsabgeordnete, sondern setzen uns auf Landes- und Kommunalebene für die Interessen von Radfahrern ein. Für Sie hat die ADFC Mitgliedskarte aber nicht nur den Vorteil, dass wir uns für einen sicheren und komfortablen Radverkehr einsetzen: Sie können egal, wo Sie mit Ihrem Fahrrad unterwegs sind, deutschlandweit auf die AFDC-Pannenhilfe zählen. Außerdem erhalten Sie mit unserem zweimonatlich erscheinenden ADFC-Magazin Information rund um alles, was Sie als Radfahrer politisch, technisch und im Alltag bewegt. Zählen können ADFC-Mitglieder außerdem auf besonders vorteilhafte Sonderkonditionen, die wir mit Mietrad- und Carsharing-Anbietern sowie Versicherern und Ökostrom-Anbietern ausgehandelt haben. Sie sind noch kein Mitglied?

    weiterlesen

  • Was muss ich beachten, um mein Fahrrad verkehrssicher zu machen?

    Wie ein Fahrrad verkehrstauglich auszustatten ist, legt die Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO) fest. Vorgesehen sind darin zwei voneinander unabhängige Bremsen, die einen sicheren Halt ermöglichen. Für Aufmerksamkeit sorgen Radler*innen mit einer helltönenden Klingel, während zwei rutschfeste und festverschraubte Pedale nicht nur für den richtigen Antrieb sorgen. Je zwei nach vorn und hinten wirkende, gelbe Rückstrahler an den Pedalen stellen nämlich darüber hinaus sicher, dass Sie auch bei eintretender Dämmerung gut gesehen werden können. Ein rotes Rücklicht erhöht zusätzlich die Sichtbarkeit nach hinten und ein weißer Frontscheinwerfer trägt dazu bei, dass Radfahrende die vor sich liegende Strecke gut erkennen. Reflektoren oder wahlweise Reflektorstreifen an den Speichen sind ebenfalls vorgeschrieben. Hinzu kommen ein weißer Reflektor vorne und ein roter Großrückstrahler hinten, die laut StVZO zwingend vorgeschrieben sind.

    weiterlesen

  • Worauf sollte ich als Radfahrer achten?

    Menschen, die Rad fahren oder zu Fuß gehen, gehören zu den ungeschützten Verkehrsteilnehmern. Sie haben keine Knautschzone – deshalb ist es umso wichtiger, sich umsichtig im Straßenverkehr zu verhalten. Dazu gehört es, selbstbewusst als Radfahrender im Straßenverkehr aufzutreten, aber gleichzeitig defensiv zu agieren, stets vorausschauend zu fahren und mit Fehlern von anderen Verkehrsteilnehmern zu rechnen.Passen Sie Ihre Fahrweise der entsprechenden Situation an und verhalten Sie sich vorhersehbar, in dem Sie beispielsweise Ihr Abbiegen durch Handzeichen ankündigen. Halten Sie Abstand von Lkw, Lieferwagen und Kommunalfahrzeugen. Aus bestimmten Winkeln können Fahrer nicht erkennen, ob sich seitlich neben dem Lkw Radfahrende befinden. Das kann bei Abbiegemanövern zu schrecklichen Unfällen führen. Beachten Sie immer die für alle Verkehrsteilnehmer gültigen Regeln – und seien Sie nicht als Geisterfahrer auf Straßen und Radwegen unterwegs.

    weiterlesen

  • Was ist der Unterschied zwischen Pedelecs und E-Bikes?

    Das Angebot an Elektrofahrrädern teilt sich in unterschiedliche Kategorien auf: Es gibt Pedelecs, schnelle Pedelecs und E-Bikes. Pedelecs sind Fahrräder, die durch einen Elektromotor bis 25 km/h unterstützt werden, wenn der Fahrer in die Pedale tritt. Bei Geschwindigkeiten über 25 km/h regelt der Motor runter. Das schnelle Pedelec unterstützt Fahrende beim Treten bis zu einer Geschwindigkeit von 45 km/h. Damit gilt das S-Pedelec als Kleinkraftrad und für die Benutzung sind ein Versicherungskennzeichen, eine Betriebserlaubnis und eine Fahrerlaubnis der Klasse AM sowie das Tragen eines Helms vorgeschrieben. Ein E-Bike hingegen ist ein Elektro-Mofa, das Radfahrende bis 25 km/h unterstützt, auch wenn diese nicht in die Pedale treten. Für E-Bikes gibt es keine Helmpflicht, aber Versicherungskennzeichen, Betriebserlaubnis und mindestens ein Mofa-Führerschein sind notwendig. E-Bikes spielen am Markt keine große Rolle. Dennoch wird der Begriff E-Bike oft benutzt, obwohl eigentlich Pedelecs gemeint sind – rein rechtlich gibt es große Unterschiede zwischen Pedelecs und E-Bikes.

    weiterlesen

  • Gibt es vom ADFC empfohlene Radtouren für meine Reiseplanung?

    Wir können die Frage eindeutig bejahen, wobei wir Ihnen die Auswahl dennoch nicht leicht machen: Der ADFC-Radurlaubsplaner „Deutschland per Rad entdecken“ stellt Ihnen mehr als 165 ausgewählte Radrouten in Deutschland vor. Zusätzlich vergibt der ADFC Sterne für Radrouten. Ähnlich wie bei Hotels sind bis zu fünf Sterne für eine ausgezeichnete Qualität möglich. Durch die Sterne erkennen Sie auf einen Blick mit welcher Güte Sie bei den ADFC-Qualitätsradrouten rechnen können.

    weiterlesen

Bleiben Sie in Kontakt