Radfahrer in Winnenden fordern: Parkplätze sollen Radwegen weichen

Die Stadt Winnenden will die Fahrradwege deutlich verbessern. Immer noch, muss man sagen, denn 2017 hatte ein Radverkehrskonzept bereits alle Problemstellen benannt. Nun liegen für eine wichtige zentrale Strecke zwischen der Wiesenstraße..

Von ZVW/Regina Munder

Die Stadt Winnenden will die Fahrradwege deutlich verbessern. Immer noch, muss man sagen, denn 2017 hatte ein Radverkehrskonzept bereits alle Problemstellen benannt. Nun liegen für eine wichtige zentrale Strecke zwischen der Wiesenstraße (Edeka und Markthalle) und dem Bildungszentrum II (Lessing-Gymnasium) detaillierte Verbesserungsvorschläge vor, erstellt vom Ingenieurbüro Karajan. Der Gemeinderat muss sich für die Varianten entscheiden, die umgesetzt werden sollen.

Vor Weihnachten und vor einer Online-Bürgerbeteiligung ist ein Übersichtsartikel erschienen, der klar machte: Gute Radwege kosten auf dieser gesamten Achse bis zu 50 kostenlose Stellplätze für Anwohner, Lehrer und Mitarbeiter von Winnender Betrieben sowie Kunden der Einzelhändler und Gäste der Lokale. Ein Sturm der Entrüstung fiel bisher allerdings aus.

Vor den Geschäften an der Paulinenstraße fallen bei einer Variante 20 Parkplätze weg

Beispiel untere Paulinenstraße: Der Radweg könnte beidseitig auf die Straße gepinselt werden. Fußgänger sowie Stadtgrün erhielten dadurch mehr Platz, hier entfielen zwei Parkplätze von 14. An der oberen Paulinenstraße, an der sich Reinigung und Blumenladen, „Glückskind“ und Asia-Imbiss, Kik, Skurril und der Bacchus-Keller befinden, wird es heftiger: Wählt der Gemeinderat die gestrichelten Rad-Schutzstreifen, fallen 20 Parkplätze weg, neun bleiben. Die Gefahr durch Autos, die über die Radstreifen hinweg ausparken, ist damit allerdings nicht gänzlich gebannt.

Und oben an der Schorndorfer Straße, wo die Stadt den Radfahrern einen rot markierten Radstreifen gegen die Einbahnstraße anbieten will, um schnell zurück zur Seegartenstraße zu kommen, geht das zulasten von zehn Parkplätzen. Michael Rieger, Vorsitzender des Vereins Attraktives Winnenden, hakte bei der Online-Bürgerbeteiligung nach, warum die Radler nicht über die Ring- und die Kantstraße zur Seegartenstraße gelenkt würden. Diese Option schließt Planer Karajan aus: „Wir wollen keinen Umweg, sondern Radler direkt führen.“ Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) hat die Pläne durchgesehen und eine Stellungnahme verfasst, die Sprecherin Helga Baier auf Bitte unserer Zeitung öffentlich macht.

Studien: Besserer Rad- und Fußgängerverkehr steigert den Umsatz

Aus Sicht der Radfahrer spricht einiges für weniger Parkplätze: „Radfahrende sind die besseren Kunden“, diese These muss im Autofahrerland provokant wirken, wo ein Supermarkt ohne ein Vielfaches an Parkplatzfläche davor undenkbar ist. Doch der ADFC hat sich das nicht ausgedacht, sondern bezieht sich auf verschiedene Studien, allen voran diejenige des Londoner Verkehrsunternehmens Transport of London (TfL). Entsprechende Studien gebe es auch in und für Deutschland, zum Beispiel vom europäischen RadfahrerVerband (ECF), mit demselben Ergebnis: „Mehr Fuß- und Radverkehr bringt signifikante Vorteile für die lokale Wirtschaft. In zentralen Einkaufsstraßen und lokalen Zentren wurden Umsatzsteigerungen von bis zu 30 Prozent festgestellt, wenn zuvor Verbesserungen für den Rad- und Fußverkehr umgesetzt worden sind.“

Das liege daran, so Helga Baier für den ADFC weiter, dass Radfahrende in Städten nicht im Stau stehen, nicht lange nach einem Parkplatz suchen müssen, sich somit stressfrei und flexibel fortbewegen. Weil sie die Entfernungen selbst treppeln müssen, kaufen sie eher in Wohnortnähe ein und sind zudem treue Kunden.

Sehr bestechend ist auch dieses Argument: Auf einem KfZ-Stellplatz bringt man so viele Metallbügel unter, dass daran acht Radler ihr Bike anschließen können. Und die verbliebenen Stellplätze sind frei für die Kunden, die weder Rad noch Bus fahren können oder wirklich von weiter her nach Winnenden kommen.

Außerdem ist es so, dass ein Radfahrer sozusagen vors Geschäft fahren kann, in der Winnender Fußgängerzone darf er tagsüber zwar nur die Querstraßen im Schritttempo befahren und schiebt auf der Marktstraße. Doch einen Zeitvorteil gegenüber den Autofahrern hat er dadurch allemal.

Vorschläge, wo Dauerparker und Anwohner ihre Autos abstellen könnten

Ist das nun ein positives Zeichen für die Zukunft, dass der Proteststurm der Gewerbetreibenden ausblieb? Kannten sie die Studien schon? Vermutlich lag es eher am Format, das im Chat nur Fragen an den Planer, Oberbürgermeister Hartmut Holzwarth und Bürgermeister Norbert Sailer zuließ. Diese Beiträge waren zudem für die anderen Teilnehmer nicht sichtbar. Und mit Sicherheit liegt es daran, dass sich vor dem Jahr 2025 baulich an den genannten Straßen wohl gar nichts verändern wird. Gleichwohl hat sich der ADFC auch Gedanken gemacht, wie die Stadt Ersatz für wegfallende Parkplätze schaffen kann:

  • Dauerparker/Tagesparker könnten gegen Gebühr auf dem Schotterplatz Albertviller Straße (Stadion) besonders ausgewiesene Parkplätze finden.
  • Im Bereich Stadtfriedhof sind, außer bei Beerdigungen, regelmäßig Parkplätze frei. Hier könnten einige Parkplätze für die Anwohner der Seegartenstraße gegen eine Anwohnerparkgebühr ausgewiesen werden.
  • Im Parkhaus Wiesenstraße gibt es, außer an Markttagen, leere Parkplätze, die ebenfalls zum Teil an Anwohner/-innen vermietet werden könnten.

Helga Baier schließt das Kapitel mit einer Anmerkung, die beim Verein Attraktives Winnenden wahrscheinlich für Entsetzensschreie sorgt: „Generell wäre es zu überlegen, ob das kostenlose Parken in Winnenden noch zeitgemäß ist.“ Doch es wäre ein Anreiz zum Umstieg. Auch so geht der ADFC, anders als die Karajan-Ingenieure, davon aus, dass sich bis 2030 der Autoverkehr in Städten reduziert und der Radverkehr erhöht. Auch deshalb der dringliche Wunsch, die neuen Radwege so breit und so klar erkennbar wie möglich zu gestalten.

Verwandte Themen

Winnenden: Radsonntag mit vier geführten Touren, Bewirtung und Gewinnspielen

Der 25. Winnender Radsonntag findet am 3. Juli statt und bietet folgendes Programm:

Lastenrad

Lastenräder-Verleih in Waiblingen: Wann geht es nun los?

In allen Waiblinger Ortschaften gibt es künftig wie bereits in der Kernstadt ein elektrisch angetriebenes Lastenfahrrad…

Demo auf Postplatz

Fahrrad-Demo Kidical Mass: Sicherheit für Kinder, gegen Dominanz der Autos

Nach Herzenslust und unter Polizeischutz auf dem alten Postplatz beim Landratsamt radeln, wo sonst Autos und Busse…

Sichtbar und sicher: Mit dem Fahrrad unterwegs.

Sicher unterwegs: 10 Punkte, wie Radfahrer sich und ihr Fahrrad schützen

Göttingen/Berlin (dpa/tmw) - Fahrradfahren liegt im Trend. 62 Prozent der Menschen in Deutschland nutzen das Fahrrad…

ADFC Mitradelzentrale

Rad fahren im Rems-Murr Kreis

Der Rems-Murr Kreis bietet viele schöne Ortschaften und Landschaften die es zu erkunden gilt. Damit sie all die schönen…

ADFC Rems-Murr launcht neue Homepage

02.09.2022

 

Der ADFC Rems-Murr launcht neue Homepage. Modern, Schlank und Benutzerfreundlicher.

160 Teilnehmer beim Radsonntag in Winnenden

03.07.2022

Knapp 30 Grad Celsius hat das Thermometer am Sonntag gegen 10.45 Uhr gezeigt, als sich 160 Fahrradfahrer auf…

Flyer zum Fahrradjahr 2024

Auch dieses Jahr gibt es wieder einen Flyer zum Fahrradjahr 2024

Radweg

Radschnellweg Schorndorf-Stuttgart in Fellbach: ADFC fordert schnellen Ausbau

Für den perspektivisch stark wachsenden Radverkehr sei die direkt durch Fellbachs Mitte geführte Planungsvariante 1 der…

https://rems-murr.adfc.de/artikel/radfahrer-in-winnenden-fordern-parkplaetze-sollen-radwegen-weichen-1

Häufige Fragen von Alltagsfahrer*innen

  • Was macht der ADFC?

    Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club e.V. (ADFC) ist mit bundesweit mehr als 190.000 Mitgliedern, die größte Interessenvertretung der Radfahrerinnen und Radfahrer in Deutschland und weltweit. Politisch engagiert sich der ADFC auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene für die konsequente Förderung des Radverkehrs. Er berät in allen Fragen rund ums Fahrrad: Recht, Technik, Tourismus.

    weiterlesen

  • Was bringt mir eine ADFC-Mitgliedschaft?

    Radfahren muss sicherer und komfortabler werden. Wir nehmen dafür – auch Dank Ihrer Mitgliedschaft – nicht nur Einfluß auf Bundestagsabgeordnete, sondern setzen uns auf Landes- und Kommunalebene für die Interessen von Radfahrern ein. Für Sie hat die ADFC Mitgliedskarte aber nicht nur den Vorteil, dass wir uns für einen sicheren und komfortablen Radverkehr einsetzen: Sie können egal, wo Sie mit Ihrem Fahrrad unterwegs sind, deutschlandweit auf die AFDC-Pannenhilfe zählen. Außerdem erhalten Sie mit unserem zweimonatlich erscheinenden ADFC-Magazin Information rund um alles, was Sie als Radfahrer politisch, technisch und im Alltag bewegt. Zählen können ADFC-Mitglieder außerdem auf besonders vorteilhafte Sonderkonditionen, die wir mit Mietrad- und Carsharing-Anbietern sowie Versicherern und Ökostrom-Anbietern ausgehandelt haben. Sie sind noch kein Mitglied?

    weiterlesen

  • Was muss ich beachten, um mein Fahrrad verkehrssicher zu machen?

    Wie ein Fahrrad verkehrstauglich auszustatten ist, legt die Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO) fest. Vorgesehen sind darin zwei voneinander unabhängige Bremsen, die einen sicheren Halt ermöglichen. Für Aufmerksamkeit sorgen Radler*innen mit einer helltönenden Klingel, während zwei rutschfeste und festverschraubte Pedale nicht nur für den richtigen Antrieb sorgen. Je zwei nach vorn und hinten wirkende, gelbe Rückstrahler an den Pedalen stellen nämlich darüber hinaus sicher, dass Sie auch bei eintretender Dämmerung gut gesehen werden können. Ein rotes Rücklicht erhöht zusätzlich die Sichtbarkeit nach hinten und ein weißer Frontscheinwerfer trägt dazu bei, dass Radfahrende die vor sich liegende Strecke gut erkennen. Reflektoren oder wahlweise Reflektorstreifen an den Speichen sind ebenfalls vorgeschrieben. Hinzu kommen ein weißer Reflektor vorne und ein roter Großrückstrahler hinten, die laut StVZO zwingend vorgeschrieben sind.

    weiterlesen

  • Worauf sollte ich als Radfahrer achten?

    Menschen, die Rad fahren oder zu Fuß gehen, gehören zu den ungeschützten Verkehrsteilnehmern. Sie haben keine Knautschzone – deshalb ist es umso wichtiger, sich umsichtig im Straßenverkehr zu verhalten. Dazu gehört es, selbstbewusst als Radfahrender im Straßenverkehr aufzutreten, aber gleichzeitig defensiv zu agieren, stets vorausschauend zu fahren und mit Fehlern von anderen Verkehrsteilnehmern zu rechnen.Passen Sie Ihre Fahrweise der entsprechenden Situation an und verhalten Sie sich vorhersehbar, in dem Sie beispielsweise Ihr Abbiegen durch Handzeichen ankündigen. Halten Sie Abstand von Lkw, Lieferwagen und Kommunalfahrzeugen. Aus bestimmten Winkeln können Fahrer nicht erkennen, ob sich seitlich neben dem Lkw Radfahrende befinden. Das kann bei Abbiegemanövern zu schrecklichen Unfällen führen. Beachten Sie immer die für alle Verkehrsteilnehmer gültigen Regeln – und seien Sie nicht als Geisterfahrer auf Straßen und Radwegen unterwegs.

    weiterlesen

  • Was ist der Unterschied zwischen Pedelecs und E-Bikes?

    Das Angebot an Elektrofahrrädern teilt sich in unterschiedliche Kategorien auf: Es gibt Pedelecs, schnelle Pedelecs und E-Bikes. Pedelecs sind Fahrräder, die durch einen Elektromotor bis 25 km/h unterstützt werden, wenn der Fahrer in die Pedale tritt. Bei Geschwindigkeiten über 25 km/h regelt der Motor runter. Das schnelle Pedelec unterstützt Fahrende beim Treten bis zu einer Geschwindigkeit von 45 km/h. Damit gilt das S-Pedelec als Kleinkraftrad und für die Benutzung sind ein Versicherungskennzeichen, eine Betriebserlaubnis und eine Fahrerlaubnis der Klasse AM sowie das Tragen eines Helms vorgeschrieben. Ein E-Bike hingegen ist ein Elektro-Mofa, das Radfahrende bis 25 km/h unterstützt, auch wenn diese nicht in die Pedale treten. Für E-Bikes gibt es keine Helmpflicht, aber Versicherungskennzeichen, Betriebserlaubnis und mindestens ein Mofa-Führerschein sind notwendig. E-Bikes spielen am Markt keine große Rolle. Dennoch wird der Begriff E-Bike oft benutzt, obwohl eigentlich Pedelecs gemeint sind – rein rechtlich gibt es große Unterschiede zwischen Pedelecs und E-Bikes.

    weiterlesen

  • Gibt es vom ADFC empfohlene Radtouren für meine Reiseplanung?

    Wir können die Frage eindeutig bejahen, wobei wir Ihnen die Auswahl dennoch nicht leicht machen: Der ADFC-Radurlaubsplaner „Deutschland per Rad entdecken“ stellt Ihnen mehr als 165 ausgewählte Radrouten in Deutschland vor. Zusätzlich vergibt der ADFC Sterne für Radrouten. Ähnlich wie bei Hotels sind bis zu fünf Sterne für eine ausgezeichnete Qualität möglich. Durch die Sterne erkennen Sie auf einen Blick mit welcher Güte Sie bei den ADFC-Qualitätsradrouten rechnen können.

    weiterlesen

Bleiben Sie in Kontakt