
Gegen das Vergessen: Ghostbike erinnert an den Unfalltod von Jürgen N.
12.05.2025 Schorndorf. Der 6. Oktober 2024 war ein noch halbwegs milder Herbsttag. Ein Sonntag. Gerade recht für Jürgen N., sich bei einer kleinen Radtour zu entspannen.
Schorndorf. Der 6. Oktober 2024 war ein noch halbwegs milder Herbsttag. Ein Sonntag. Gerade recht für Jürgen N., sich bei einer kleinen Radtour zu entspannen. Von Schorndorf aus durch den Schurwald hoch Richtung Kaisersträßle. Kurz unterhalb der Abbiegung nach Adelberg muss er die Landesstraße 1147 nach Oberberken überqueren. Dort wird der 49-Jährige von einem sehr schnell fahrenden Motorrad erfasst und stirbt.
Zur Erinnerung an Jürgen N., vor allem aber als Mahnmal, wurde nun von Mitgliedern des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) im Beisein von Angehörigen und Freunden des getöteten Bikers, neben der Unfallstelle ein sogenanntes „Ghostbike“ installiert. Ein knochenfahl weiß angestrichenes Fahrrad, das im Schatten unter dem grünen Laubdach des Waldes kaum zu sehen ist. Aus Sicherheitsgründen durfte es nicht sichtbarer neben der Landesstraße angebracht werden.
Wilhelm Pesch, einer der beiden Sprecher des ADFC in Schorndorf, Aktivist des Arbeitskreises Mobilität der Lokalen Agenda 2030 und Initiator der Ghostbike-Aktion, sieht Verbesserungsbedarf, was die Verkehrssicherheit dieser Straße von Schorndorf hoch nach Oberberken angeht.
Im Jahr 2024 starben in Deutschland 441 Radfahrer
Bei der kleinen Gedenkfeier mit Schweigeminute für den Toten, sagte er: „Der Unfall zeigt uns, dass hier gehandelt werden muss. Es ist eine Geschwindigkeitsbeschränkung anzuordnen; hier darf man 100 fahren. Weiterhin ist ein Überholverbot einzuführen und es sind Warnschilder aufzustellen, die auf die Querung des Rad- und Wanderweges hinweisen.“
Pesch wies auch darauf hin, dass im Jahr 2024 insgesamt 441 Radler in Deutschland starben, „deutlich mehr als vor zehn Jahren, jeder sechste Verkehrstote ist ein Radfahrer oder eine Radfahrerin.“ Der anwesende politische Sprecher des ADFC/Rems-Murr, Andreas Schwager aus Waiblingen, erinnerte an das „Vision Zero“-Projekt des Bundesverkehrsministeriums, das sich zum Ziel gesetzt hat, bis 2030 die Zahl der Verkehrstoten in Deutschland um 40 Prozent zu senken. Maßnahmen zur Erreichung dieses Zieles, so der Fahrradfan, werden in Skandinavien weit konsequenter als bei uns durchgesetzt. Eigentlich, erklärte Schwager, müsse nach einem Unfall wie hier, „die Infrastruktur so verändert werden, dass sich so ein Unfall nicht mehr ereignen kann“.
Zustimmung gab es aus dem Bekannten- und Freundeskreis des toten Bikers. „Ich würde es toll finden, wenn hier eine Geschwindigkeitsbegrenzung eingeführt würde“, sagte dessen Lebensgefährtin. Bedauert wurde, dass sich kein Vertreter der eingeladenen Ordnungsämter und Polizeireviere zur Installation des Mahnmals eingefunden hatte. Man wolle in der Sache aber nicht locker lassen, versprachen Pesch und Schwager.
Abenteuerliche Überholmanöver bei hohem Tempo
Muss wieder was passieren? Es war geradezu atemberaubend zu beobachten, wie allein in der halben Stunde der kleinen Feier, die abenteuerlichsten Überholmanöver bei gespenstisch hohem Tempo von Autos wie Motorrädern im schmalen Abschnitt an der Unfallstelle vollführt wurden. Eine offensichtlich sehr beliebte Rennstrecke!
Vier rote Rosen wurden zu Beginn des Gedenkens von Angehörigen am Skelett des „Geisterrades“ angebracht und leuchteten. Sie stehen für Liebe – und unnötig vergossenes Blut.