Radfahren wegen der Bahn-Sperrung: Dürftige Noten für Weinstadt und Waiblingen
24.05.2023
Durch die Bahn-Sperrung zwischen Waiblingen und Stuttgart hat die Zahl der täglichen Radfahrten höchstwahrscheinlich zugenommen. Auch aus Weinstadt dürften nun einige Pendler mehr mit dem Fahrrad Richtung Landeshauptstadt unterwegs sein.
Durch die Bahn-Sperrung zwischen Waiblingen und Stuttgart hat die Zahl der täglichen Radfahrten höchstwahrscheinlich zugenommen. Auch aus Weinstadt dürften nun einige Pendler mehr mit dem Fahrrad Richtung Landeshauptstadt unterwegs sein. Wie auch in Waiblingen bekommt die Rad-Infrastruktur von ihren Nutzern aber nicht gerade Traumnoten. Beide Große Kreisstädte erhalten in einer aktuellen Auswertung des Fahrrad-Clubs ADFC die Gesamtnote 3,9 und liegen in ihrer Größenklasse nur im Mittelfeld. Jüngste Verbesserungen wie die Pop-up-Radwege in Waiblingen im Zusammenhang mit der Bahn-Sperrung sind darin natürlich noch nicht berücksichtigt. In Weinstadt sind einige Maßnahmen im Gespräch.
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70 Radfahrer haben für Weinstadt an der Befragung zum „Fahrradklima-Test 2022“ des ADFC teilgenommen. Die Ergebnisse haben die Interessenvertreter kürzlich veröffentlicht (pdf). In der Gruppe der Orte mit 20.000 bis 50.000 Einwohnern bundesweit landete Weinstadt dabei auf Platz 194 von 447. Im Vergleich mit dem Bericht 2020 stellt der Club eine „relative Konstanz“ fest (Gesamtnote damals: 4,0). Als positiv bewerteten die Teilnehmer unter anderem die Fahrradmitnahme im öffentlichen Nahverkehr, die Breite der Radwege und deren Oberflächen.
Mehr geöffnete Einbahnstraßen?
Als negativ eingestuft wurde, dass in den meisten Einbahnstraßen das Befahren in Gegenrichtung für Radfahrer nicht erlaubt ist (Kommunen können hier Ausnahmen schaffen, damit das Fahrradfahren zügiger geht).
Auch Ampelschaltungen und die Kontrolle falsch parkender Autos auf Radwegen wurden häufig moniert. Der Aussage „Bei uns werden Radfahrer/-innen als Verkehrsteilnehmer akzeptiert“ stimmte nur ein Prozent der Befragten voll zu. Die meisten vergeben hier die Noten 3 oder 4.
Zum Vergleich: Beim großen Nachbarn Waiblingen konstatiert der ADFC eine „leichte Verbesserung“ (pdf) gegenüber 2020 (von Gesamtnote 4,1 auf 3,9): Platz 40 von 113 Städten in der Größenordnung 50.000 bis 100.000 Einwohner. Positiv sahen die 182 Teilnehmer hier die demnach geringe Anzahl an Fahrraddiebstählen, die Mitnahme von Rädern im Nahverkehr und die Verfügbarkeit öffentlicher Räder beziehungsweise den Fahrradverleih (Waiblingen hat etwa schon länger ein städtisches Lastenrad zum Ausleihen, zuletzt kamen fünf weitere in den Ortschaften hinzu; in Weinstadt soll der Verleih über die Energieagentur „dieser Tage“ starten, so die Verwaltung auf Anfrage).
Nicht gut weg kamen in Waiblingen die „Fahrradförderung in letzter Zeit“ (wobei die Ergebnisse eben für 2022 gelten) und die Werbung für das Radfahren.
Vor allem aber bejahten nur wenige Teilnehmer, nämlich ein Prozent, die Aussage: „Bei uns sind Radwege und Radfahrstreifen so angelegt, dass auch junge und ältere Menschen sicher Rad fahren können.“
„Defizite“ für Radverkehr sind historisch bedingt, so das Rathaus Weinstadt
Um angesichts der DB-Vollsperrung das Rad-Pendeln zu erleichtern, hat Waiblingen etwa in der Stuttgarter Straße bisherige Auto-Fahrbahnen umgewandelt in „Pop-up-Radwege“. Sogar Parkplätze für Pkw wurden dafür vorübergehend gestrichen. Solche auffälligen Maßnahmen stehen in Weinstadt erst einmal nicht an.
Die Stadt verweist vor allem darauf, dass im Rahmen des integrierten Mobilitätsentwicklungsplans (IMEP) an einem Radverkehrskonzept gearbeitet wird. Damit ist das Planungsunternehmen Bernard-Gruppe beauftragt. „Im Rahmen der Konzeption wird die Radverkehrsinfrastruktur unter Berücksichtigung der anderen Verkehrsarten analysiert, bestehende Mängel aufgezeigt und Maßnahmen zur Schaffung einer sicheren und durchgängigen Radverkehrsführung entwickelt“, so die Verwaltung.
„Das künftige Radverkehrsnetz der Stadt Weinstadt soll den unterschiedlichen Ansprüchen des Alltags- und des Freizeitradverkehrs Rechnung tragen und gleichzeitig die Bedürfnisse der verschiedenen Gruppen von Radfahrern, insbesondere der vorsichtigeren Radfahrer, und der Schülerinnen und Schüler berücksichtigen.“ Dass es aktuell für den Radverkehr „Defizite“ gebe, habe die Stadt erkannt. Diese seien selbstverständlich, weil Straßen und Verkehrswege „vornehmlich in einer Zeit entstanden, in der das Auto Vorrang hatte“. Das sei nicht nur in Weinstadt so.
Ergebnisse des ADFC und weitere Befragungen sollen einfließen
Damit das Radfahren künftig auch in Weinstadt schöner wird, soll es diesen Sommer und Herbst weitere Beteiligungsformate geben. Anregungen aus der Öffentlichkeit und auch des Weinstädter Jugendgemeinderats könnten einfließen. Die Ergebnisse des ADFC-Fahrradklima-Tests „werden im Projektteam ebenfalls ausgewertet und diskutiert“, so die städtische Pressesprecherin Claudia Leihenseder.
Der Jugendgemeinderat hatte etwa angeregt, den Radweg zwischen Endersbach und Strümpfelbach zu beleuchten. Die Stadträte haben sich damit befasst. Es soll eine „retroreflektierende Randmarkierung“ geben (wir berichteten). „Die Umsetzung der Maßnahme ist im Haushalt für das Jahr 2024 vorgesehen, um eine mögliche Kombination mit anderen Maßnahmenvorschlägen des IMEP berücksichtigen zu können“, so die Pressesprecherin.
Noch nicht geklärt ist, ob die Vorschläge der Jugendlichen umgesetzt werden, die Eberhardstraße zur Fahrradstraße zu machen sowie an der Ampel-Kreuzung Stuttgarter Straße/Poststraße in Beutelsbach mehr Platz für Radfahrer zu schaffen. Diese möglichen Maßnahmen sollen bei der Erstellung des künftigen Radkonzepts im IMEP-Rahmen behandelt werden.
Was tut sich sonst noch in Weinstadt? Das Rathaus verweist etwa auf eine Aktion im April mit kostenlosen Fahrrad-Checks, die Teilnahme am Stadtradeln und finanzielle Unterstützung: Die Anschaffung eines Lastenrads oder der Akku-Tausch bei E-Bikes wird aktuell gefördert, solange der Topf von 40.000 Euro das hergibt (Anträge auf www.weinstadt.de/klimaplus). Weinstadt will sich außerdem an der Europäischen Mobilitätswoche im September „mit ein, zwei Aktionen zum Thema Radfahren“ beteiligen.
Unsere gesamte Berichterstattung zur Bahn-Sperrung finden Sie unter www.zvw.de/bahn