Vandalismus bremst Regio-Rad aus
22.09.2022
Demolierte Pedelecs, sabotierte Ladekabel, mager bestückte Mietstationen – dem Fahrradverleihsystem Regio-Rad macht die zunehmende Zerstörungswut zu schaffen. Dazu fehlen Ersatzteile und Servicepersonal.
Von Chris Lederer
Demolierte Pedelecs, sabotierte Ladekabel, mager bestückte Mietstationen – dem Fahrradverleihsystem Regio-Rad macht die zunehmende Zerstörungswut zu schaffen. Dazu fehlen Ersatzteile und Servicepersonal. Der zuständige Gesamtkoordinator verspricht Besserung.
ierzig blaue Leihfahrräder von Regio-Rad könnten an der Mietstation am Backnanger Bahnhof abgestellt werden und dort auf Nutzer warten. Könnten, wohlgemerkt. Denn meist wartet dort kein
Fahrrad oder Pedelec, sondern der Nutzer darauf, dass er dort überhaupt einen fahrbaren Untersatz findet. Doch intakte Räder sind derzeit Mangelware.
Der für den Rems-Murr-Kreis zuständige Gesamtkoordinator von Regio-Rad-Stuttgart, Ralf Maier-Geißer, macht aus der aktuellen Misere keinen Hehl: Die Entwicklung des Verleihsystems – sowohl im Rems-Murr-Kreis als auch im gesamten Bediengebiet – sei zwar sehr positiv, bringe aber einen hohen Serviceaufwand für die DB Connect GmbH mit sich, die das Verleihsystem im Auftrag der Kommunen und weiterer Kooperationspartner seit Mai 2018 betreibt. Alle Stationen würden regelmäßig angefahren, die Räder gewartet und falls erforderlich umdisponiert.
Im Idealfall passiert das zeitnah – doch die Realität sieht anders aus: „Leider macht der akute Personalnotstand, der seit Längerem in fast allen Bereichen und Branchen in der Region Stuttgart zu beobachten
ist, auch vor dem Fahrradservice der DB Connect nicht halt“, sagt Maier-Geißer. „Und natürlich bleibt das Servicepersonal von Corona und anderen krankheitsbedingten Ausfällen nicht verschont.“ Vor dem Hintergrund des mittlerweile großflächigen Netzes mit mehr als 250 Stationen führe dies aktuell leider zu Verzögerungen im Service an den Stationen, „weshalb es mitunter dazu kommen kann, dass Stationen über eine gewisse, im Vergleich zu früher, längere Zeit nicht mit dem gewohnten Service betreut und beispielsweise stets mit ausreichend funktionsfähigen Rädern bestückt sind“. Durch die Akquise neuer Mitarbeitender werde sich diese Situation „in den kommenden Wochen wieder deutlich verbessern, wodurch auch der Service vor Ort wieder zuverlässiger erfolgen kann“, verspricht der Regio-Rad-Koordinator aus Stuttgart. Doch nicht nur der Personalmangel, auch die mutwillige Zerstörung von Rädern und Einrichtungsteilen bremst den Schwung: „Leider müssen wir in der letzten Zeit immer mehr
Vandalismus an Stationen und unseren blauen Rädern beobachten. Dabei werden
insbesondere die wichtigen Lade- und Anschlussseile mutwillig zerstört“, erzählt Maier-Geißer. Damit gehe einher, dass die Pedelecs aufgrund beschädigter Seile dann nicht mehr automatisch geladen werden
könnten. Künftig soll eine neue Seiltechnologie, die robuster gegen Vandalismus ist, „dem Problem in absehbarer Zeit entgegenwirken“. Immerhin könnten Räder und Pedelecs dennoch entliehen und zurückgegeben werden. Durch die „Sensibilisierung von zentralen Akteuren“ vor Ort – etwa Bürgerschaft, Ordnungskräfte, Sozialarbeiter – soll dem Vandalismus entgegengewirkt werden. Die beschädigten Seile sollten Zug um Zug ausgetauscht werden. Leichter gesagt als getan: „Eine weitere und nicht zu unterschätzende Herausforderung stellt seit Monaten die Lieferkettenproblematik dar, die zu erheblichen Verzögerungen bei der Beschaffung von Ersatzteilen sowie neuer Stationen und Räder führt.“ Dies gelte auch für die außerplanmäßige Ersatzbeschaffung von Lade- und Anschlusseilen. Daher könnten aktuell beschädigte Anschlussseile zwar demontiert, aber nicht mehr ersetzt werden, was mitunter zu „Irritationen bei den Nutzenden führt, die dann nicht wie gewohnt ihr Regio-Rad anschließen, sondern nur noch
abschließen können“. Jürgen Ehrmann, Vorsitzender des Allgemeinen Fahrrad-Clubs (ADFC) Backnang und Backnanger-Bucht, sieht, wenn er beispielsweise in Stuttgart unterwegs ist, immer mal wieder demolierte Räder des Verleihers herumstehen. „Regio-Rad kann man da keine Schuld geben“, sagt Ehrmann, das Problem sei der Vandalismus. „Das Ordnungsamt muss ein besseres Auge auf die Stationen haben“, meint der 68-Jährige. Beschädigt würden immer wieder auch einzelne der 55 Rad-Reparatur-Stationen, die der ADFC im Landkreis aufgestellt hat.
An Regio-Rad gebe es nur wenig auszusetzen, betont Ehrmann: „Der Bedarf an Leihrädern ist im ganzen Landkreis erheblich, und wir freuen uns, dass nun auch Backnang im Netz dabei ist.“ Die meisten Rückmeldungen seien positiv. Er würde sich wünschen, dass es mehr Schnupperangebote geben würde, um Einsteigern das Umsteigen vom Auto aufs Rad zu erleichtern. Außerdem solle man die App verbessern und damit das Ausleihverfahren vereinfachen. „Die Hemmschwelle ist noch zu hoch.“ Immerhin tut sich einiges bei der Verdichtung des Netzes im Landkreis: Laut Maier-Geißer können inzwischen Fahrräder und Pedelecs an 17 Stationen in folgenden zehn Kommunen entliehen werden: in Backnang, Fellbach, Leutenbach, Kernen im Remstal, Schorndorf, Urbach, Waiblingen,Weinstadt, Winnenden und Winterbach. Seit Anfang 2021 seien die Kommunen Backnang, Leutenbach und Winnenden neu hinzugekommen. Auch in Fellbach und Waiblingen wurde das Angebot erweitert. „Zeitnah werden sechs weitere Stationen in Korb, Rudersberg, Schwaikheim und Welzheim errichtet, und auch in Backnang wird das Angebot ausgebaut“, kündigt Maier-Geißer an.
Nicht nur Jürgen Ehrmann wird hoffen, dass dort dann ausreichend Räder stehen.